Marion Kemmerzell

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Mein Roman
Siebenschläfer ist erschienen

und am 24. April 2017
im Saarländischen Künstlerhaus
vorgestellt worden.



Saarländisches Künstlerhaus


Mathilde, Tochter eines badischen Ministerialen, ist elf Jahre alt, als sie 1277 zu erzählen beginnt. Der Roman beschreibt ihren Blick auf die sie umgebende Welt, ihre Erziehung, ihre Selbstzweifel, ihre Sehnsucht.
Für Gottes Wohlgefallen zieht sie 1283 mit den Deutschen Rittern nach Preußen (Pruzzen), um die Heiden zu bekämpfen.

    Es wird heißen, sie sei als Jungfrau im Heidenkampf gefallen.

Ihr Großneffe, Rugger von Schoubeck, ein Mann der frühen Renaissance, hat seinen Gotteskampf überlebt, Machthabende und Philosophen seiner Zeit kennen gelernt. Er stellt Fragen - 1350 nach Gottes Geburt, während die Pest sich durchs Land frisst.



Jörg Gronius,
mit Vergnügen und Bewunderung habe ich über Ostern Deine WINDSBRÄUTE gelesen.
Besonders "Siebenschläfer" hat einen guten Atem.


Andreas Dury,
Siebenschläfer ist ein historischer Roman. Er spielt am Ende des 13. Jh. in der Epoche, in der der Deutsche Orden, nachdem er im Heiligen Land gescheitert war, das Reich der Pruzzen unterwarf.
"Historischer Roman" ist das Genre, das Gerüst für die eigentliche Geschichte einer jungen Frau, der es unmöglich ist, eine ihr angemessene sexuelle Identität auszubilden.
Sie ist noch ein Mädchen, als ihre Mutter stirbt, in der Vaterwelt hat sie keinen Platz und wird ins Kloster geschickt. Ihre Hauptaufgabe dort ist es, ihr Inneres als böse und wollüstig zu erkennen und zu bekämpfen. Sie gibt sich leidlich Mühe, . . . flieht aus dem Kloster, was im Roman fast wie eine Neugeburt inszeniert wird: Zunächst findet sie Zuflucht bei der Amme ihrer Familie . . . zurück auf die Burg des Vaters, mit ihren erheblich jüngeren Brüdern . . . Ihre ältere schöne Schwester, die kurz vor der Verheiratung steht, kommt zu Besuch . . .
Mit einer gleichaltrigen Freundin (Irmgard) wagt sie eine vorsichtige, zarte homoerotische Liebesbeziehung, doch in dem Moment, in dem Mathildes älterer Bruder auf die Burg kommt, wendet sich Irmgard von ihr ab und dem Bruder zu.
Ihr Zorn, ihre Scham darüber, nutzlos und sündhaft, der Makel nicht Frau und nicht Mann zu sein, wird auf ein Außen projiziert, wo es eine Handlungsperspektive eröffnet. Sie erlernt das Handwerk der Männer, das Handwerk des Tötens, um in den Kampf gegen die Ungläubigen zu ziehen. . . .
Ein packender Plot, fein und einfühlend erzählt.


Oh weh, mein viel Lieber,
ich bin heiser in der Kehle meiner Keuschheit


  Mechthild von Magdeburg


Gott sei mir gnädig, gib mir ein scharfes Schwert,
lass mich Vergeltung üben unter den Heiden,
lehre meine Hände kämpfen
und meine Fäuste, Krieg zu führen





Wollust . . . ein überfettes Wort,
von dem der Honig tropft.

Leseproben

Mathilde, Seite 60

Ich wache auf. Es ist sehr dunkel und sehr still. Ich bin allein im Schlafsaal. Ich höre Singen. Irgendwo. Vielleicht auch nicht. Sie werden alle in der Kirche sein. Jetzt höre ich den Wind. Wie er die Geister vor sich hertreibt. Wie sie heulen, schnaufen, wie sie auf ihm reiten und seinen Rücken abwärts rutschen. Es müssen welche im Kreuzganggarten gelandet sein. Ich stehe auf um nachzusehen.
Der Himmel ist ganz schwarz und hat den Mond geschluckt. Doch sind die Geister deutlich spürbar. Sie fallen klein und kalt auf meine Hand, die ich nach draußen strecke. Natürlich ist das Schnee, den Gott uns schenkt, damit wir auf einem Brett den Berg herunterfahren können und uns mit ihm bewerfen, und dann hinauf zur Burg zu unserer Mutter laufen können und Äpfel essen, die auf dem Ofen warm geworden sind. Ach ja - jetzt bin ich wach - die Engel haben unsere Mutter abgeholt und fortgebracht. Und ich muss nun im Kloster bleiben, bis ich so viele Runzeln haben werde wie Schwester Hailwigis und sterben werde wie Schwester Anna.
Sie war ganz klein geworden, Schwester Anna, als sei sie eingeschrumpft wie diese Äpfel am Ende eines langen Winters. Man hat sie dann in Tücher eingewickelt und mit viel Singen und noch mehr Beten zum Kirchhof hinausgetragen. Auch um den Kirchhof ist eine Mauer. Dort werden wir beerdigt. Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass Schwester Annas Seele noch entkommen könnte, ich habe hingeschaut, ob ich sie fliegen sehe, doch durch die starken Tücher ist die Seele wohl im Körper festgehalten worden. Sie haben Schwester Anna mit ihrer Seele eingegraben, fürchte ich, sie haben eine Steinplatte wie einen schweren Deckel auf das Grab gelegt, und Schwester Anna wird innerhalb der Klostermauern bleiben müssen bis in alle Ewigkeit. Und ich will nicht hier bleiben bis in alle Ewigkeit!


Rugger, Seite 180

Ich weiß bis heute, wie ich dem fernen Land entgegenfieberte, wo es noch echte Feinde Gottes gab. Der Weg dorthin war weit, die Landschaft lag gedehnt im klirrend kalten Winter, nur schwach besiedelt, man langweilt sich sehr schnell als junger Mann.

Sowie sich Gottes Festung, die Marienburg, endlich vor dem Abendhimmel aus dem flachen Land erhob, erhoffte ich, wir würden nun sofort bei Tagesanbruch den Feinden Gottes entgegenreiten. Ich stellte mir die Heiden als schwarze Horden vor, obwohl mein Großvater schon angedeutet hatte, dass sie wie Menschen gebildet wären. Ich glaubte sie ganz in der Nähe. Ich sah die rote Sonnenscheibe und dachte an die heilige Mathilde, die hier gestorben war, der Nogatfluss schien mir wie Blut.

Wir legten unsere Rüstungen und sonstiges Gepäck im großen Schlafsaal ab, wir traten in den Speisesaal, den Remter, mein Blick wurde von schmalen Säulen eingefangen, aus denen feinste Gewölberippen zur Decke strebten, ich weiß, dass ich an Spinnennetze dachte.
Aus denen haben wir zehn Wochen lang nicht mehr herausgefunden. Der Frühling lässt in diesem Land die Wege weich und schlammig werden. Wir mussten warten, bis der Boden im Sommer wieder hart und trocken war.
Die Burg war voll von jungen Leuten, die wie ich zum Kämpfen hergekommen waren und nun gezwungenermaßen Würfel spielten.

Wir schliefen lange, wir übten maßvoll mit den Waffen, und nach den Abendessen würfelten und zechten alle. Die älteren und hohen Herren wurden vom Hochmeister an seine Ehrentafel eingeladen, wir jungen Männer lernten uns verstehen. Es waren viele da, die nur Französisch oder Englisch sprachen. Wir malten mit den Händen Formen in die Luft und tauschten dann die Worte dafür aus. Es dauerte nicht lange, bis ich die Wölbungen und Buchten eines Frauenkörpers in vier Sprachen, um das Latein nicht zu vergessen, benennen konnte. Ich lernte ebenfalls zu fluchen in vier Sprachen. Wir hörten, dass man sich an der Ehrentafel um gesittetes Betragen mühte, wenigstens solange man noch nüchtern war.
Zehn Wochen. Das Essen war ganz ausgezeichnet.

Siebenschläfer

Der Roman Siebenschläfer verdankt sein Entstehen dem Literaturkreis bei Sibylle Knauss und Albrecht Ade in Remseck und den Weinfesten auf Burg Schaubeck.